Stellen Sie sich eine Welt vor, in der zwei völlig unterschiedliche Lebensformen in einer atemberaubenden Symbiose existieren: Willkommen im Reich der Flechten, jenen unscheinbaren, aber faszinierenden Organismen, die Mauern, Bäume und sogar die unwirtlichsten Umgebungen unseres Planeten schmücken. Dieses Buch enthüllt das verborgene Leben dieser Doppelwesen, indem es die komplexe Biologie, den Aufbau und die Vermehrung von Flechten detailliert erforscht. Tauchen Sie ein in die Welt der Algen und Pilze, die in einer einzigartigen Partnerschaft zusammenleben und es Flechten ermöglichen, unter extremsten Bedingungen zu überleben. Entdecken Sie, wie Flechten als Bioindikatoren dienen und uns aufschlussreiche Informationen über die Luftqualität liefern. Lernen Sie die Methoden der Flechtenkartierung kennen, mit denen Wissenschaftler die Verbreitung und das Vorkommen dieser Organismen untersuchen und wertvolle Daten für Umweltstudien gewinnen. Erfahren Sie, wie diese widerstandsfähigen Organismen sich an widrige Bedingungen anpassen, von eisiger Kälte bis zu sengender Hitze, und wie sie Wasser aus der Luft filtern, um zu überleben. Erkunden Sie die verschiedenen Flechtentypen, von blattartigen Formen bis hin zu krustenförmigen und strauchartigen Varianten, und entdecken Sie ihre spezifischen Lebensräume und ökologischen Rollen. Dieses Buch bietet einen umfassenden Einblick in die Welt der Flechten, von ihrer mikroskopischen Struktur bis zu ihrer Bedeutung für das Ökosystem, und lädt Sie ein, die Schönheit und Komplexität dieser oft übersehenen Lebensformen neu zu entdecken. Begleiten Sie uns auf einer Reise in eine verborgene Welt, in der die Natur ihre erstaunlichsten Geheimnisse preisgibt – eine Welt, in der Flechten nicht nur Überlebenskünstler, sondern auch stille Wächter unserer Umwelt sind, deren Anwesenheit oder Abwesenheit uns viel über den Zustand unserer Welt verrät. Ein Muss für jeden Naturfreund, Biologen und alle, die mehr über die Bedeutung von Bioindikatoren und den Umweltschutz erfahren möchten. Entdecken Sie mit diesem Buch das faszinierende Zusammenspiel von Ökologie, Biologie und Umweltschutz am Beispiel der Flechten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Biologie der Flechten
2.1 Die Flechte - Ein Doppelwesen
2.2 Der Bau der Flechten
2.3 Wachstum und Vermehrung der Flechten
2.4 Ökologie und Verbreitung
2.5 Flechten als Bioindikatoren
3. Flechtenkartierung
3.1 Verfahrensweise
3.1.1 Expositionsverfahren
3.1.2 Flechtenkartierungsverfahren
3.1.3 Verwendete Methode (VDI)
3.2 Ergebnis der Kartierung
3.3 Auswertung der Ergebnisse
4. Nachwort
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Flechten... Man findet sie auf der Straße, auf Mauern, Grabsteinen, auf Bäumen, in der Wüste und der Arktis. Aber was sind sie eigentlich? Sie bewegen sich nicht, sie haben keine Blätter und wachsen auch nur sehr langsam. Sie scheinen also weder Tier noch Pflanze zu sein, sondern ähneln eher langsam wachsenden Kristallen. Bei näherer Betrachtung kann man jedoch feststellen, dass gerade in diesem unscheinbaren Gewächs eine äußerst raffinierte Symbiose zwischen Alge und Pilz verwirklicht wurde. Durch die Kombination von Alge und Pilz können sich Flechten auch dort ansiedeln, wo andere Lebewesen keine Überlebenschance hätten; allerdings sind Flechten durch diese Lebensweise auch sehr empfindlich gegenüber Änderungen der gewohnten Umgebung und damit vor allem gegen Schadstoffe in der Luft. Diese Eigenschaft der Flechte lässt sich dazu benutzen, die Schadstoffbelastung in einer Stadt ohne komplizierte Geräte und relativ umfassend zu bestimmen. In dieser Arbeit will ich nun versuchen, die Qualität der Luft in Starnberg und seiner Peripherie anhand der Art des Vorkommens von epiphytischen Blattflechten an Bäumen zu bestimmen. Doch zuvor möchte ich einen kurzen allgemeinen Überblick über das Wesen der Flechten geben.
2. Die Biologie der Flechten
2.1 Die Flechte - Ein Doppelwesen (vgl. 1/2)
Lange Zeit hatte man Flechten (lat. lichenes) als eigenständige Pflanzengruppe behandelt oder den Moosen zugeordnet. Erst 1869 entdeckte der Schweizer Botaniker Schwendener, daß es sich bei Flechten um zwei verschiedene Lebensformen handelt, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben; tatsächlich handelt es sich um eine Alge und einen Pilz, die in Symbiose leben.
Eine Symbiose ist eine Art Zweckgemeinschaft, in der sich meist zwei artfremde Individuen zusammentun, um sich durch Kombination ihrer Lebensweisen gegenseitig zu ergänzen und für beide Seiten Vorteile durch diese Zusammenarbeit zu gewinnen. Bei dieser Symbiose bildet der Pilz das Grundgerüst der Flechte und somit auch deren Form. Er umspinnt die Alge in seinem Innern mit seinen fadigen Strukturen, den sogenannten Hyphen.
Der Vorteil für den Pilz liegt darin, dass er von der Algenzellen die von ihm zum Leben benötigten Produkte der Assimilation erhält, die Alge dagegen ist vom umhüllenden Pilz vor Wasserverlust, intensiver Sonnenstrahlung und algenfressenden Tieren geschützt; außerdem liefert der Pilz der Alge die Mineralstoffe, die er aus Regen- und Sickerwasser aufnimmt, und die die Alge zur Photosynthese benötigt. Hinzu kommt, dass der Pilz auch gegebenenfalls Haftorgane (sog. Rhizide) ausbildet, die es der Flechte ermöglichen, nahezu auf jedem Untergrund halt zu finden. Ist eine Stelle erst einmal von Flechten bewachsen, können sich auch andere Pflanzen auf ihnen ansiedeln, so dass neuer Lebensraum entsteht.
2.2 Der Bau der Flechten (vgl. 1)
Bei den Algen (Phycobionten) der meisten Flechten handelt es sich um Grünalgen (Chlorophyceae), die vorwiegend der Gattung Trebouxia angehören (vgl. 1,S.8). Manche Arten enthalten auch Blaualgen (Cyanophyta) und ganz wenige Flechten enthalten auch Heterokontophyta (z.B. Braunalgen). Meistens lebt in der Flechtensymbiose nur eine Algenart, bei bestimmten Gruppen können es jedoch auch zwei verschiedene sein, so z. B. bei Flechten, die auch Algen in den Fruchtkörpern (Apothecien) enthalten.
Die Pilzkomponente der Flechten (Mycobiont) besteht meistens aus einem Schlauchpilz (Ascomycet), zudem auch z.B. die Morcheln und Becherlinge zählen, der hauptsächlich aus langen schmalen Zellen besteht, die zum Rand hin fester werden und eine Art Rinde bilden. Flechtenpilze kommen allerdings nicht mehr freilebend vor, sondern sind völlig von der Flechtensymbiose abhängig geworden.
Alge und Pilz bilden zusammen den "Körper" einer Flechte; man nennt ihn Lager oder Thallus. Bei den einfachen Flechten sind Algen- und Pilzzellen gleichmäßig im ganzen Thallus verteilt, solche Flechten bezeichnet man als homöomer. Die meisten Flechten sind jedoch genauer strukturiert, der Thallus ist in Rindengewebe, Algenschicht und Mark unterteilt. Dieser Aufbau wird heteromer genannt (vgl. 1, S.8). Der Aufbau des Thallus kann bei verschiedenen Arten sehr unterschiedlich sein: So gibt es z. B. Blatt- oder Laubflechten mit einem blattförmigen Thallus, Krustenflechten, die wie eine Kruste auf Oberflächen wachsen, und es gibt Strauchflechten, zu denen auch die Bartflechten gehören, die ein strauchartiges Aussehen haben.
Die einzelnen Gruppen sind allerdings nicht streng getrennt. Zum Teil gibt es fließende Übergänge, so z. B. die placoiden Typen, die eine Übergangsform zwischen Blatt- und Krustenflechten darstellen.
Flechten haben keine Organe, die zur Nahrungsaufnahme dienen, jede Zelle im Thallus nimmt selbständig aus der Umgebung Nährstoffe (aber auch Schadstoffe) auf. Flechten haben allerdings Organe, mit denen sie sich am Untergrund festhalten können: Bei Krustenflechten ist die gesamte Unterseite das Haftorgan, Strauch- und Blattflechten haben meistens fadenförmige Auswüchse (Rhizinen) an der Unterseite. Manchmal ist das Lager nur an einem einzigen Punkt befestigt, man nennt das dann "genabelt".
Abbildung 1
Halbschematischer Schnitt durch eine Blattflechte (vgl. 2, S.28)
fehlt
2.3 Wachstum und Vermehrung der Flechten (vgl.1)
Flechten wachsen nur sehr langsam; wenn man sie nur flüchtig betrachtet, könnte man fast meinen, daß sie gar nicht wachsen. Das hängt hauptsächlich damit zusammen, daß in der Flechtensymbiose ein verhältnismäßig kleiner Anteil der Masse den gesamten
Doppelorganismus ernähren muß: der nur etwa 10 % der Masse ausmachende Algenteil. Dadurch stehen nur noch geringe Mengen an Energie zum Wachstum zur Verfügung.
Bei der Wachstumsgeschwindigkeit gibt es zwischen den verschiedenen Gruppen (Strauch-, Blatt- und Krustenflechten) große Unterschiede. Das Wachstum der Blattflechten kann je nach Art von einigen Zehntelmillimetern bis zu einigen Zentimetern pro Jahr reichen. Bei den Krustenflechten beträgt das Wachstum bei allen Arten zwischen einem und zwei Millimetern.
Ist das Wachstum an allen Seiten gleichmäßig, so wird der Thallus kreisrund und das Alter läßt sich leicht bestimmen. Ein Lager mit einem Durchmesser von einem halben Meter kann so mehrere Jahrhunderte, aber auch Jahrtausende alt sein.
Aber wie entsteht überhaupt ein Lager? Wie vermehren sich Flechten? Diese Frage läßt sich nicht mit einer Antwort klären, denn Flechten pflanzen sich auf zwei verschiedene Arten fort: generativ (geschlechtlich) oder vegetativ (ungeschlechtlich).
Die vegetative Fortpflanzung ist eine Anpassung an schlechte Umweltbedingungen (vgl. 1, S.10). Die Vermehrung kann dabei auf mehrere Arten erfolgen. Am einfachsten ist dabei die Verbreitung durch zufällig entstandene Bruchstücke die beide Partner enthalten und zu neuen Flechten heranwachsen können (vgl. 3, S.28). Diese Art der Verbreitung wird auch als Fragmentation bezeichnet. Viele Arten verlassen sich allerdings nicht auf zufällig entstandene Bruchstücke, sondern schnüren aktiv Thallusstückchen (Isidien) ab.
Bei der Fortpflanzung durch Soredien springt die obere Rinde der Flechte auf, und entläßt kleine aus Pilz und Algenzelle bestehende Knäule (Soralen), die auch wie bei den anderen Fortpflanzungsmechanismen durch Wind, Wasser und kleinen Tieren verbreitet werden.
Dagegen werden bei der generativen Fortpflanzung (dazu ist nur der jeweilige Pilzpartner befähigt) lediglich Pilzsporen verbreitet; ein neuer Thallus entsteht aber nur dann, wenn die keimende Spore auf eine geeignete Algenzelle trifft. Obwohl diese Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, gibt es viele Arten, die sich ausschließlich generativ fortpflanzen. Aus der Tatsache, daß sie bis heute überlebt haben, läßt sich ersehen, daß die Wahrscheinlichkeit offensichtlich hoch genug ist. Die meisten Flechtenarten pflanzen sich vegetativ fort, aber auch sie bilden manchmal Fruchtkörper für die generative Fortpflanzung, die jedoch meistens steril bleiben.
2.4 Ökologie und Verbreitung ( vgl. 3)
Wie schon erwähnt, können Flechten neben Gesteinen und Bäumen auch sehr extreme Lebensräume besiedeln. Sie können selbst im extrem kalten Klima der Antarktis, im ewigen Schnee der Hochgebirge, aber auch in Wüsten, an der Meeresküste und im Bereich der Brandung überleben. Sie können diese Extreme verkraften aufgrund ihrer Fähigkeit, sehr schnell in eine Starre fallen zu können (vgl. 3 S.29). Dabei verliert sie den Großteil ihres Wassers und Atmung und Photosynthese gehen zurück. In dieser Situation können manche Flechten eine Kälte von -196°C (flüssiger Stickstoff) und eine Hitze von +100°C überleben (vgl. 3, S.29). Temperaturen von -20°C bis +70°C können fast alle Flechten auf diese Weise problemlos überstehen (vgl. 3, S.29). Jedoch "erwachen" sie bei erneuter Wasserzufuhr sofort wieder aus ihrer Starre. Der fehlende Austrocknungsschutz erweist sich also als notwendig, damit Flechten in Hitze und Kälte überleben können. Aufgrund der fehlenden Wurzeln und des fehlenden Verdunstungsschutz können Flechten Wasser weder aktiv aufnehmen, noch bei Trockenheit ihre Wasserabgabe bremsen.
Diese Fähigkeit der Flechten wasserlose Zeiten in einer Art "Dämmerzustand" zu überleben, bringt ihnen jedoch den großen Vorteil gegenüber höheren Pflanzen, Lebensräume mit unregelmäßige Wasserzufuhr besiedeln zu können, wie z. B. Steine oder Wüsten. Dass sie dort trotzdem überleben können, verdanken Flechten der Möglichkeit, Wasser direkt aus der feuchten Luft oder dem morgendlichen Taufall entnehmen zu können und mit der Photosynthese zu beginnen.
Häufig gestellte Fragen
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Was sind Flechten laut diesem Dokument?
Flechten sind keine Tiere und keine Pflanzen im herkömmlichen Sinne. Sie sind eine Symbiose aus Algen und Pilzen. Diese Symbiose ermöglicht es Flechten, an Orten zu überleben, an denen andere Lebewesen keine Chance hätten, macht sie aber auch empfindlich gegenüber Umweltveränderungen, insbesondere Luftschadstoffen.
Wie sind Flechten aufgebaut?
Flechten bestehen aus Algen (Phycobionten) und Pilzen (Mycobionten). Der Pilz bildet das Grundgerüst der Flechte und umspinnt die Algen. Der Alge liefert der Pilz Nährstoffe und Schutz, während der Pilz von der Alge Produkte der Assimilation erhält.
Welche Arten von Flechten gibt es?
Es gibt verschiedene Arten von Flechten, darunter Blattflechten (Laubflechten), Krustenflechten und Strauchflechten. Blattflechten haben einen blattförmigen Thallus, Krustenflechten wachsen wie eine Kruste auf Oberflächen, und Strauchflechten haben ein strauchartiges Aussehen.
Wie vermehren sich Flechten?
Flechten vermehren sich generativ (geschlechtlich) oder vegetativ (ungeschlechtlich). Bei der vegetativen Fortpflanzung werden Bruchstücke des Thallus, Isidien oder Soredien verbreitet. Bei der generativen Fortpflanzung werden Pilzsporen verbreitet, die einen neuen Thallus bilden, wenn sie auf eine geeignete Algenzelle treffen.
Wo kommen Flechten vor?
Flechten können in extremen Umgebungen überleben, wie in der Antarktis, in Hochgebirgen, in Wüsten, an der Meeresküste und im Bereich der Brandung. Sie können sowohl kalte als auch heisse Temperaturen überleben, indem sie in eine Art Starre fallen und den Grossteil ihres Wassers verlieren.
Warum sind Flechten wichtig für die Umwelt?
Flechten sind Bioindikatoren, d.h. sie können zur Bestimmung der Luftqualität verwendet werden. Sie sind sehr empfindlich gegenüber Luftschadstoffen, und das Vorkommen bestimmter Flechtenarten kann Aufschluss über die Schadstoffbelastung eines Gebiets geben.
Was ist Flechtenkartierung?
Flechtenkartierung ist ein Verfahren zur Erfassung und Auswertung des Vorkommens von Flechten in einem bestimmten Gebiet. Die Flechtenkartierung erlaubt Rückschlüsse auf die Luftqualität in einem Gebiet.
Was bedeutet die "VDI" Methode?
Die VDI Methode ist eine standardisierte Methode zur Flechtenkartierung, die im Text erwähnt wird. Es ist eine der Verfahrensweisen zur Erfassung und Auswertung von Flechtenvorkommen. Die VDI ist die Abkürzung für den "Verein Deutscher Ingenieure".
- Quote paper
- Johannes Jasper (Author), 2001, Flechten als Indikator der Luftverschmutzung in Starnberg und seiner Peripherie, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/103595