Die Prävention missbräuchlichen Drogenkonsums bei Jugendlichen spielt im Kontext Schule eine entscheidende Rolle. Welche Rolle haben Eltern als wichtigste Sozialisationsinstanz bei der Primärprävention? Inwiefern haben sie Einfluss auf das Suchtverhalten ihrer Kinder? Kann die schulische Gesundheitsförderung und Drogenprävention ohne das Mitwirken der Eltern überhaupt Wirkung und Erfolge verzeichnen? Oder ist es gar so, dass der elterliche Einfluss überschätzt wird?
Zur Klärung dieser Fragestellung folgt zu Beginn eine Erläuterung der Sozialisationsfunktion der Eltern sowie eine Beschreibung der Jugendphase und der damit verbundenen Entwicklungsaufgaben.
Anschließend stelle ich Gründe für den Drogengebrauch bei Jugendlichen dar, wobei der Fokus auf dem familiären Einfluss liegt. Damit soll die Bedeutung der Eltern für das Entstehen eines missbräuchlichen Drogenkonsums erläutert werden. In Anlehnung dessen, wird im letzten Teil dieser Arbeit dargelegt, welchen Beitrag die Familie zu einer erfolgreichen Primärprävention von Alkoholmissbrauch leisten kann.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Welche Rolle spielen die Eltern als Sozialisationsinstanz bei der Primärprävention von Alkoholmissbrauch?
3 Fazit
4 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Prävention missbräuchlichen Drogenkonsums bei Jugendlichen spielt im Kontext Schule eine entscheidende Rolle. Die angehenden und bestehenden Lehrkräfte sehen sich damit beauftragt den Jugendlichen im Klassenverband einen angemessenen Umgang mit (legalen) Suchtmitteln wie Tabak oder Alkohol zu vermitteln und somit missbräuchliches Verhalten oder Abhängigkeiten zu verhindern. Dabei wirkt zum Beispiel die "Empfehlung zur Gesundheitsförderung und Prävention in der Schule"1 der Kultusministerkonferenz als Rahmenbedingung und Leitfaden für eine erfolgreiche und gelingende Primärprävention.
Die Gesundheitsförderung im Rahmen der Schule ist nur logisch, verbringen Jugendliche während ihres Heranwachsens doch einen Großteil ihrer Zeit in dieser Institution.
Doch welche Rolle spielen die Eltern als wichtigste Sozialisationsinstanz bei der Primärprävention? Inwiefern haben sie Einfluss auf das Suchtverhalten ihrer Kinder? Kann die schulische Gesundheitsförderung und Drogenprävention ohne das Mitwirken der Eltern überhaupt Wirkung und Erfolge verzeichnen? Oder ist es gar so, dass der elterliche Einfluss überschätzt wird?
Zur Klärung dieser Fragestellung folgt zu Beginn eine Erläuterung der Sozialisationsfunktion der Eltern sowie eine Beschreibung der Jugendphase und der damit verbundenen Entwicklungsaufgaben.
Anschließend stelle ich Gründe für den Drogengebrauch bei Jugendlichen dar, wobei der Fokus auf dem familiären Einfluss liegt. Damit soll die Bedeutung der Eltern für das Entstehen eines missbräuchlichen Drogenkonsums erläutert werden.
In Anlehnung dessen, wird im letzten Teil dieser Arbeit dargelegt, welchen Beitrag die Familie zu einer erfolgreichen Primärprävention von Alkoholmissbrauch leisten kann.
Schlussendlich werde ich ein Fazit ziehen und die oben gestellten Fragen, sofern möglich, beantworten.
2 Welche Rolle spielen die Eltern als Sozialisationsinstanz bei der Primärprävention von Alkoholmissbrauch?
Die Sozialisation gehört zu den wichtigsten Funktionen von Familien. Als Unterbegriff der Sozialisation wird der Begriff der Erziehung verwendet, der „alle gezielten und bewussten Einflüsse auf den Bildungsprozess “ meint „mit dem Menschen versuchen auf die Persönlichkeitsentwicklung anderer Menschen Einfluss zu nehmen“.2
In dem lebenslang andauerndem Prozess der Sozialisation werden die Entwicklung der Persönlichkeit eines Menschen und sein Hineinwachsen in die Gesellschaft ermöglicht.3 Hierbei ist besonders die elterliche Vermittlung von Werten und Normen der Gesellschaft von maßgeblicher Bedeutung.4 Kinder werden in ihrer Identität auch entscheidend durch die zeitliche Einbindung in den familiären Rahmen und der elterlichen Vorbildfunktion geprägt.5 Obwohl eine zunehmende Eingebundenheit der Kinder in soziale Beziehungen und Aktivitäten außerhalb der Familie eine fragmentierte Sozialisationssituation zur Folge hat, bleiben die Eltern als primäre Sozialisationsinstanz bestehen.6
Wenn Kinder mit ca. 10 Jahren die Jugendphase erreichen, kommt den Eltern die Aufgabe zu, die Entwicklungsaufgaben der Heranwachsenden aktiv zu fördern und zu unterstützen. Diese neue Lebensphase bietet ein erhöhtes Maß an Stimulierungspotenzial, birgt jedoch auch ein erhöhtes Risiko für Belastungssituationen. Die vom Jugendlichen zu bewältigenden Aufgaben umfassen den Prozess der Selbstfindung, die Orientierung im Werte- und Normsystem der Gesellschaft, den Aufbau sozialer Kontakte und eines partnerschaftlichen Verhältnis zu gleichaltrigen, die Bildung eines politischen Bewusstseins mit gleichzeitiger Stabilisierung der eigenen Werte sowie das Erlangen schulischer und beruflicher Qualifikationen.7 Die entscheidendste Entwicklungsaufgabe für einen Jugendlichen stellt die Ablösung von der Herkunftsfamilie dar. Dieser Prozess resultiert des Öfteren in einer ablehnenden Haltung gegenüber den Eltern. Diese müssen ihrerseits Freiheiten für ein selbstbestimmte Leben gewähren und dennoch weiterhin emotionalen Rückhalt bieten, damit der Jugendliche imstande ist die Herausforderungen und Konflikte der Jugendphase ohne „tiefgreifende Entgleisung“ 8 zu bewältigen.9
Im Verlauf der Pubertät macht ein Großteil der Jugendlichen die ersten Erfahrungen mit legalen Suchtmitteln wie zum Beispiel Alkohol. Klaus Hurrelmann stellt diesbezüglich folgende These auf:
Der Konsum dieser legalen Drogen ist nicht nur im Erwachsenenalter, sondern auch im Jugendalter als ein gesellschaftlich weitgehend „normales“ Verhalten anzusehen. Das Erlernen des Umgangs mit dem gesellschaftlich bereitgestellten Drogenrepertoire gehört geradezu zum jugendspezifischen „Lernprogramm“ und wird aus sozialisationstheoretischer Sicht auch als eigenständige Entwicklungsaufgabe im Jugendalter aufgefaßt [sic].10
Das vielfach zitierte Modell „Sechs Wege zum Drogengebrauch“ von Silbereisen und Kastner fasst theoretische Ansätze zusammen und erklärt grundlegende Ursachen und Funktionen des Drogengebrauchs bei Jugendlichen. Die legale Substanz Alkohol wird hierbei nicht explizit erwähnt, sondern ist eingebunden in eine „umfassendere Sichtweise des Drogengebrauchs". 11 Dargestellt wird der Konsum von Drogen als Ersatzziel, gewollte Normverletzung, Bewältigungsstrategie, Zugang zu Peergruppen, persönlicher Stil und/oder Demonstration des Erwachsenseins.12
Betrachtet man die Ursachen des Drogenkonsums von Jugendlichen so sollte man nicht ausblenden, auf welche Weise die Eltern, bewusst oder unbewusst, Einfluss auf das missbräuchliche Konsumverhalten haben können.
Der Drogengebrauch als Ersatzziel beispielsweise sieht als Ursache des Konsums die Autonomiebestrebungen und Unabhängigkeitswünsche des Jugendlichen, welche nicht gegen die Eltern durchgesetzt werden können. Durch das Konsumieren von Drogen wird versucht sich der elterlichen Kontrolle entziehen.13
Zu einem ähnlichen Schluss kam auch Richard Müller, der in seinem Aufsatz „Schüler und die Droge Alkohol“ schreibt:
Es ist auch nachgewiesen, daß [sic] je mehr Eltern ihre Kinder in ihrer Entfaltung hindern und sich zugleich von ihnen emotional distanzieren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß [sic] Kinder Alkohol trinken und auch rauchen.14
Bei dem Konsum von Drogen als Demonstration des Erwachsenseins können die Eltern als Faktor ebenfalls herangezogen werden. So repräsentieren sie eine Kultur, der sich die Jugendlichen, beispielsweise mit dem Trinken von Alkohol, anzunähern versuchen.15 Der Erwachsenenstatus ist für die Jugendlichen unmittelbar mit dem Konsum von Alkohol verbunden, weshalb sie mit dem Trinken eine Loslösung von der Familie hin zu einem selbstbestimmten, erwachsenen Leben verbinden.16 Die Eltern dienen dem Jugendlichen hierbei häufig als Vorbild und können folglich sein Trinkverhalten stark beeinflussen.17
Viele Jugendliche reagieren auf „Schwierigkeiten in der schulischen Leistungsbiographie“ 18 mit einem übermäßigen Alkohol- oder Drogenkonsum.19
Häufig sind es die Eltern, die mit ihren Erwartungen an die Qualifikationen des Jugendlichen einen Leistungsdruck aufbauen, welcher die Erfüllung anderer „ nicht bildungs- und berufsbezogener Entwicklungsaufgaben […] der Jugendphase “20 blockieren kann. Daraus kann vermehrter Alkohol- oder Drogenkonsum als „ Begleiterscheinung eines verkrampften Ablösungsprozesses von der Herkunftsfamilie in Erscheinung treten “.21
Neben diesen Ursachen für einen vermehrten Konsum von Suchtmitteln bestehen noch weitere familiäre Einflüsse.
So können Belastungen innerhalb der Familie, hervorgerufen durch Erkrankungen, schwere Konflikte, Trennung oder Ehescheidung, Misshandlungen, Suchtmittelkonsum eines Elternteils, die Billigung des Drogenkonsums des Jugendlichen oder eine grundlegend schlechte und distanzierte Beziehung zwischen Familienmitgliedern in einem missbräuchlichen Konsumverhalten des Jugendlichen resultieren.22
Um zu vermeiden, dass Jugendliche einen falschen Umgang mit legalen Suchtmitteln wie Alkohol erlernen, setzen Konzepte der Primärprävention bereits im frühen Lebenszyklus und vor einem erstmaligen Konsum ein, um somit langfristig vorzubeugen.23 Hierbei kann zwischen drogenspezifischer und drogenunspezifischer Prävention unterschieden werden. Auf direkte Veränderungen im Suchtbereich zielt die drogenspezifische Prävention ab. Breiter angelegt und fokussierter auf Schutzfaktoren die sogenannte Life Skills ist hingegen die drogenunspezifische Prävention.24 Diese soll alltagsorientierte Lebenskompetenzen fördern und Kinder- und Jugendliche in ihrer Entwicklung stützen und fördern, sodass sie zu starken Persönlichkeiten heranwachsen können.25 Sie sollen langfristig in der Lage sein eigenverantwortlich zu handeln sowie Konflikte und kritische Lebenssituationen zu meistern.26 Dabei muss erfolgversprechende Primärprävention die Zusammenhänge zwischen Ursache und präventiver Strategie, Person und Umwelt, Situation und Lebensgeschichte, verschiedenen Lebenszyklen sowie kommunikativen und strukturell präventiven Maßnahmen beachten.27
Das Elternhaus kann hierbei als der zentralste Ort für Drogenprävention angesehen werden.28 Das alltägliche, pädagogische Handeln der Eltern trägt dazu bei den Heranwachsenden Life Skills zu vermitteln, um einem riskanten Umgang mit Suchtmitteln vorzubeugen.29 Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist ebenfalls der Meinung, dass sich frühzeitige Intervention auf den familiären Bereich beziehen sollte und alle Familienmitglieder gleichermaßen involviert sein müssen.30 Bei dem Zürcher Modell der Suchtprävention, wird insbesondere die Sozialisation in Familien in den Vordergrund gestellt.31 So umfasst es die Ansätze einer allgemeinen Gesundheitsförderung der Kinder sowie Prävention von Suchtverhalten und Suchtmittelmissbrauchs. Die personenbezogene allgemeine Gesundheitsförderung sollte zu einer Stärkung des Selbstwertgefühls und der allgemeinen Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit beitragen. Dadurch sollen Heranwachsende mit starken Emotionen aber auch ihrem eigenen Körper umgehen lernen. Bei der personenorientierten Prävention von Suchtverhalten soll die erhöhte Handlungskompetenz der Kinder dahingehend gestärkt werden, dass ihre Konfliktfähigkeit gesteigert wird und sie sich beispielsweise dem Gruppendruck entziehen können. Das Informieren über den Konsum von legalen Drogen und ein familienbezogener vorbildhafter und verantwortungsvoller Umgang mit Suchtmitteln soll Teil der personenorientierten Prävention von Suchtmittelmissbrauch sein. Diese Konzepte werden durch strukturorientierte Ansätze ergänzt. Dazu gehört beispielsweise die Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen im Wohn- und Sozialumfeld des Kindes. Zudem sollten Kinder klare gesetzliche und familiäre Grenzen und Normen in Bezug auf Suchtmittelkonsum aufgezeigt werden.32
[...]
1 Vgl. Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. [online].
2 Vgl. Huinink 2007, S. 191 zitiert nach Hurrelmann 2002, S.17.
3 Vgl. ebd. S. 190.
4 Vgl. Dunkake 2010, S. 54 [online]
5 Vgl. ebd. S. 54.
6 Vgl. Huinink 2007, S.191-193, zitiert nach Hurrelmann 2002, S.15.
7 Vgl. Hurrelmann 2001, S. 253.
8 Vgl. Schenk-Danziger 1993, S. 190.
9 Vgl. ebd. S.190.
10 Vgl. Hurrelmann 1989, S. 157.
11 Vgl. Schwarzkopf 1991, S. 26.
12 Vgl. ebd. S. 27-28. zitiert nach Silbereisen/Kastner 1985, S.209 ff.
13 Vgl. ebd. S.27.
14 Vgl. Müller 1985, S. 51, zitiert nach Müller 1979
15 Vgl. ebd. S.51.
16 Vgl. ebd. S. 51.
17 Vgl. ebd. S. 50.
18 Vgl. Hurrelmann 1989, S. 158.
19 Vgl. ebd. S. 158.
20 Vgl. ebd. S. 158.
21 Vgl. ebd. S. 158.
22 Vgl. Mayr 1993, S. 157.
23 Vgl. Schwarzkopf 1991, S. 116.
24 Vgl. Stillger; Suckfüll 1999, S. 15.
25 Vgl. ebd. S.15.
26 Vgl. ebd. S.15. Vgl. Schwarzkopf 1991, S. 116.
27 Vgl. ebd. S. 119.
28 Vgl. Heigl; Zöpfl 1993, S. 233.
29 Vgl. Stillger; Suckfüll 1999, S. 16.
30 Vgl. ebd. S. 17.
31 Vgl. ebd. S. 30.
32 Vgl. ebd. S. 30.
- Quote paper
- Anonymous,, 2018, Drogenkonsum bei Jugendlichen. Welche Rolle spielen Eltern als Sozialisationsinstanz bei der Primärprävention von Alkoholmissbrauch?, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/1014383