Was geschieht, wenn antike Weisheit auf die Aufklärung trifft? Diese Gegenüberstellung zweier Fabeln, Phädrus' "Wolf und Lamm" und Lessings "Der Wolf und das Schaf", offenbart mehr als nur eine einfache Tiergeschichte. Sie entführt uns in eine Welt, in der Tiere menschliche Züge annehmen und universelle Wahrheiten verkörpern. Untersuchen Sie, wie diese Meisterwerke der Fabeldichtung, entstanden in unterschiedlichen Epochen, zeitlose Konflikte und moralische Dilemmata beleuchten. Von der antiken Erzählkunst des Phädrus, der die rücksichtslose Macht des Stärkeren entlarvt, bis zur aufklärerischen Kritik Lessings, die die Torheit der Schwachen anprangert, analysieren wir die subtilen Unterschiede in Aufbau, Charakterzeichnung und sprachlicher Gestaltung. Entdecken Sie die Bedeutung von Äsops Erbe und wie es die Fabelform bis in die Neuzeit prägte. Diese vergleichende Interpretation zeigt, wie Literatur als Spiegel der Gesellschaft fungiert, indem sie Verhaltensmuster und menschliche Schwächen aufdeckt. Tauchen Sie ein in die Welt der Fabeln, um nicht nur unterhalten zu werden, sondern auch tiefere Einsichten in die menschliche Natur und die zeitlosen Prinzipien von Gerechtigkeit, Macht und Moral zu gewinnen. Eine unverzichtbare Lektüre für Liebhaber klassischer Literatur, Germanistik-Studierende und alle, die nachdenkliche Unterhaltung suchen. Lassen Sie sich von der Weisheit der alten Meister inspirieren und reflektieren Sie über die Relevanz dieser zeitlosen Geschichten in unserer modernen Welt. Ergründen Sie die tiefere Bedeutung von Wolf und Lamm, von Stärke und Schwäche, und erkennen Sie die subtilen Botschaften, die in diesen scheinbar einfachen Tiergeschichten verborgen liegen. Eine Reise durch die Jahrhunderte, die zeigt, wie Fabeln uns lehren, die Welt und uns selbst besser zu verstehen. Entdecken Sie die Kunst der Interpretation und vergleichen Sie zwei literarische Juwelen, die bis heute nichts von ihrer Strahlkraft verloren haben.
Thema: Interpretieren und vergleichen Sie die Fabeln!
1. Phädrus: Wolf und Lamm
2. Gotthold Ephraim Lessing: Der Wolf und das Schaf
Schon in der Antike befassten sich Schriftsteller mit der Fabeldichtung. Besonders bedeutend war der Grieche Äsop, der angeblich um die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. lebte. Seine „Tiergeschichten“ beruhen wahrscheinlich auf mündlich überlieferten Stoffen.. Er gab der Fabel ihre klassische Form und war das Vorbild vieler Dichter.
Der aus Rom stammende Phädrus aus dem 1. Jahrhundert n.Chr. schuf nach dem Muster Äsops Fabeln, die im Mittelalter viel gelesen wurden. Sein „Wolf und Lamm“ ist deshalb in die Epoche der Antike einzuordnen.
Gotthold Ephraim Lessing (1729 - 1781) befasste sich ebenfalls tiefgreifend mit der Äsop’schen Fabelform, was bedeutenden Einfluss auf seine Abhandlungen „Von dem Wesen der Fabel“ und „Von dem Gebrauch der Tiere in der Fabel“ hatte. In Lessings „Der Wolf und das Schaf“ wird die lehrhaft - moralisierende Absicht der Literatur der Aufklärung deutlich. In der Fabel geht es um das eigentlich schwache und unterlegene Schaf, das die Sicherheit des breiten Flusses ausnutzt, um sich an dem stärkeren und mächtigeren Wolf zu rächen.
In Phädrus’ dagegen zieht das Lamm den Kürzeren und wird vom hungrigen und gierigen Wolf gerissen.
Im Mittelpunkt beider Fabeln stehen Tiere mit menschlichen Eigenschaften. Sie handeln, denken und sprechen. Den Grund dafür beschreibt Lessing in seiner zweiten Abhandlung „Von dem Gebrauch der Tiere in der Fabel“: (Zitat) „Man hört: Britannicus und Nero. Wie viele wissen, was sie hören? Wer war dieser? Wer jener? In welchem Verhältnis stehen sie gegeneinander? - Aber wenn man hört: der Wolf und das Lamm; sogleich weiß jeder, was er höret, und weiß, wie sich das eine zum anderen verhält.“.
Auch Die Grundsituation ist in beiden Fabeln gleich: Der Wolf und das Lamm beziehungsweise das Schaf werden durch den Durst an einen Fluss getrieben. Der Verlauf der Handlungen ist jedoch verschieden.
Im Folgenden soll der Aufbau von Phädrus’ „Wolf und Lamm“ im Vergleich zu Lessings „Der Wolf und das Schaf“ beschrieben werden:
Der Bezug zu Äsop macht deutlich, dass die Grundform in beiden Fabeln gleich sein muss. Zuerst wird die Situation dargestellt: In Phädrus’ von Vers 1 bis 4, in Lessings in den Zeilen 2 und 3. Es folgt die Auslösung der Handlung (Phädrus: Vers 5; Lessing: Zeile 3 bis 5) und die Reaktion des Betroffenen (Phädrus: Vers 6 bis 8; Lessing: Zeile 5 bis 8). Lessings Fabel ist an dieser Stelle zu Ende. In Phädrus’ schließen sich noch das Ergebnis (Vers 9 bis 14) sowie die nachgestellte Epimythion (Vers 15 und 16) an. Dadurch wird die belehrende und unterhaltende Absicht des Autors deutlich.
Phädrus stellt den Wolf als gierigen (V. 3 „wilde Gier“), streitsüchtigen (V. 4 „einen Streit vom Zaun brechen“), und rechthaberischen (V. 9 „Die Macht der Wahrheit war selbst für den Wolf zu stark“) Räuber (V. 4) dar. Er sucht eine Rechtfertigung für sein Handeln, indem er das Lamm für das angebliche Schmähen durch dessen Vater verantwortlich macht (V. 13 „Dann wars dein Vater eben, ja, beim Herakles“).
In Lessings Fabel hat der Wolf ähnliche Eigenschaften. Er wird als stolzer (Z. 8) und kluger Räuber (Z. 3), der geduldig (Z. 8) auf den Moment der Rache wartet, beschrieben.
Im Großen und Ganzen ist der Wolf in beiden Fabeln als stark und mächtig einzuschätzen.
Das Lamm stellt Phädrus als verschüchtert (V. 6), wollig weich (V. 6), freundlich und schmeichelnd (V. 7 „Mein lieber Wolf“) sowie klug und aufrichtig (V. 8 „Das Wasser fließt doch erst von dir zu mir herab.“) dar.
Lessing dagegen beschreibt das Schaf als höhnisch (Z. 3) und spötterisch (Z. 5) sowie übertrieben höflich (Z. 4 „Herr Wolf“). In beiden Fabeln sind Lamm und Schaf schwach und unterlegen. Doch in Lessings Fabel zieht das Schaf die Wut des Wolfes auf sich, weil es sich auf dumme und spöttische Art und Weise die Sicherheit des breiten Flusses ausnutzt.
„Wolf und Lamm“ ist in Versform und ohne Reim geschrieben. Das Metrum ist durch einen 6-hebigen Jambus gekennzeichnet. Phädrus verwendet kurze prägnante Sätze sowie mehrere Dialoge. Er benutzt außerdem Metaphern (V. 3 „des Rachens wilde Gier“), die die Anschaulichkeit erhöhen; Katachresen (V. 4 „darum brach der Räuber einen Streit vom Zaun“; V. 9 „Die Macht der Wahrheit“); Ausrufezeichen (V.10, 12, 13), die die Wut des Wolfes verdeutlichen; Fragezeichen (V. 7) sowie die Verniedlichung (V. 6 „Lämmchen“), die die Unschuld des Lammes hervorheben. Die nachgestellte Nutzanwendung wird durch einen Absatz zwischen Vers 14 und 15 herausgestellt.
Lessings „Der Wolf und das Schaf“ ist in Prosaform, also vers- und reimlos, geschrieben. Die Handlung ist kurz und zugespitzt. Lessing verwendet eine sehr exakte Sprache, lange Dialoge sowie mehrere Semikolons (Z. 1,4,6,8). Durch das Wortspiel in Zeile 2 (gesichert - Sicherheit) wird die Eindringlichkeit gesteigert. Die Metapher in Zeile 6 („knirschte mit den Zähnen“) veranschaulicht das einfache Handlungsgeschehen.
Phädrus stellt über den Wolf den Bezug zu Herakles (V. 13) her. Dieser war Sohn des Zeus und der Alkmene. Er musste im Dienste des Königs Eurysteus 12 schwere Arbeiten verrichten und war von großer Stärke. Im Römischen wurde er als Herkules bezeichnet.
Dadurch wird noch einmal die Überlegenheit des Wolfes offensichtlich.
Lessings und auch Phädrus’ Fabel sind durch die Einfachheit der Geschichte leicht zu verstehen und regen zum Nachdenken an.
Die Überzeugung Lessings, dass die Fabel ein Lehrwerk sein müsse und nicht die Belustigung als Ziel habe, wird in „Der Wolf und das Schaf“ an der zugespitzten und knappen Prosaform der Fabel sowie an der Vers- und Reimlosigkeit deutlich.
An die Fabeldefinition aus Lessings erster Abhandlung „Von dem Wesen der Fabel“ (Zitat: „Wenn wir einen allgemeinen moralischen Satz auf einen besonderen Fall zurückführen, diesem besonderen Falle die Wirklichkeit erteilen, und eine Geschichte daraus dichten, in welcher man den allgemeinen Satz anschauend erkennt. So heißt diese Erdichtung Fabel“) halten sich beide Dichter. Obwohl man erwähnen muss, dass Phädrus schon längst gestorben war, als Lessing die Definition aufstellte.
Phädrus’ Fabel zeigt, dass es für den Stärkeren leicht ist, den Schwächeren zu unterdrücken oder zu vernichten, wenn man ihm falsche Unterstellungen macht. Lessings dagegen greift die Menschen an, die sich durch Dummheit selbst ins Verderben ziehen, indem sie ihre momentane Sicherheit ausnutzen und sich nicht über die Konsequenzen im klaren sind.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in der Analyse der Fabeln von Phädrus und Lessing?
Die Analyse vergleicht und interpretiert zwei Fabeln: Phädrus' "Wolf und Lamm" und Gotthold Ephraim Lessings "Der Wolf und das Schaf". Sie untersucht die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Aufbau, Charakterisierung der Tiere und der vermittelten Botschaft.
Wer waren Äsop, Phädrus und Lessing?
Äsop war ein griechischer Fabeldichter, der um die Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. lebte und als Begründer der Fabel gilt. Phädrus war ein römischer Fabeldichter des 1. Jahrhunderts n. Chr., der sich an Äsop orientierte. Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) war ein deutscher Dichter und Aufklärer, der sich intensiv mit der Fabel auseinandersetzte.
Welche Bedeutung hat die Fabelform nach Lessing?
Lessing betrachtete die Fabel als ein Lehrwerk, das durch die Veranschaulichung eines allgemeinen moralischen Satzes in einer konkreten Geschichte zum Nachdenken anregt.
Wie ist die Grundsituation in beiden Fabeln?
Die Grundsituation ist in beiden Fabeln ähnlich: Ein Wolf und ein Lamm/Schaf werden durch Durst an einen Fluss getrieben.
Wie unterscheidet sich der Aufbau der beiden Fabeln?
Beide Fabeln folgen einer ähnlichen Grundstruktur: Darstellung der Situation, Auslösung der Handlung und Reaktion des Betroffenen. Phädrus' Fabel enthält zusätzlich ein Ergebnis und eine Epimythion (Moral), die die belehrende Absicht unterstreichen. Lessings Fabel ist kürzer und zugespitzter.
Wie werden Wolf und Lamm/Schaf in den Fabeln charakterisiert?
In beiden Fabeln wird der Wolf als stark, mächtig und räuberisch dargestellt. Bei Phädrus ist er gierig und rechthaberisch, während er bei Lessing stolz und geduldig ist. Das Lamm/Schaf wird als schwach und unterlegen dargestellt. Bei Phädrus ist es verschüchtert und freundlich, bei Lessing höhnisch und spöttisch.
Welche sprachlichen Mittel werden in den Fabeln verwendet?
Phädrus verwendet in Versform geschriebene jambische Verse, kurze Sätze, Dialoge, Metaphern, Katachresen, Ausrufezeichen, Fragezeichen und Verniedlichungen. Lessing verwendet Prosaform, eine exakte Sprache, lange Dialoge, Semikolons und ein Wortspiel.
Welche Lehren vermitteln die Fabeln?
Phädrus' Fabel zeigt, dass der Stärkere den Schwächeren leicht unterdrücken kann. Lessings Fabel kritisiert Menschen, die durch Dummheit und Ausnutzung ihrer momentanen Sicherheit sich selbst ins Verderben stürzen.
Welche Bedeutung haben die Fabeln heute noch?
Die Fabeln sind auch heute noch relevant, da sie allgemeingültige menschliche Schwächen und Verhaltensweisen thematisieren und zum Nachdenken anregen sollen.
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- Angelika Gutsch (Author), 2000, Lessing, G. E. - Der Wolf und das Schaf - Vergleich mit der Fabel von Phädrus "Wolf und Lamm", Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/100657