Was bedeutet Glaube, wenn die Seele in tiefster Verzweiflung nach Erlösung schreit? Johann Wolfgang von Goethes "Faust I" ist weit mehr als ein literarisches Meisterwerk; es ist eine tiefgründige Auseinandersetzung mit Religion, Moral und der menschlichen Natur. Tauchen Sie ein in das Leben von Heinrich Faust, einem brillanten, aber unzufriedenen Gelehrten, der einen Pakt mit Mephistopheles eingeht, um die Grenzen des menschlichen Wissens und der Erfahrung zu sprengen. Begleiten Sie ihn auf seiner Reise, die ihn von der Studierstube in die dunklen Ecken der menschlichen Existenz führt, wo er mit Gretchen, einem jungen, frommen Mädchen, zusammentrifft. Durch Gretchens Augen erleben wir die unerschütterliche Kraft des Glaubens und die zerstörerische Wucht gesellschaftlicher Konventionen. Goethes Werk seziert die religiösen Vorstellungen seiner Zeit, konfrontiert uns mit der Frage nach göttlicher Gnade und der Möglichkeit der Erlösung, selbst im Angesicht des Bösen. Erleben Sie, wie Fausts rastlose Suche nach Erkenntnis und Gretchens unschuldiger Glaube zu einem unauflöslichen Konflikt führen, der die Leser bis zur letzten Seite fesselt. "Faust I" ist nicht nur ein Drama, sondern eine philosophische Reise, die zum Nachdenken über unsere eigenen Überzeugungen und die Rolle der Religion in unserem Leben anregt. Entdecken Sie die subtilen Nuancen von Goethes Kritik an der institutionalisierten Religion und die Bedeutung des individuellen Glaubens. Lassen Sie sich von der zeitlosen Relevanz dieser Tragödie berühren, die auch heute noch Fragen aufwirft, die uns alle betreffen. Goethe präsentiert uns eine Welt, in der das Göttliche und das Dämonische untrennbar miteinander verbunden sind und in der die menschliche Seele zum Schlachtfeld zwischen Gut und Böse wird. Ergründen Sie die Vielschichtigkeit von Fausts Glaubensvorstellungen, die zwischen pantheistischen und theistischen Elementen oszillieren, und erleben Sie, wie Gretchen, trotz ihres bürgerlichen Konventionalismus, durch göttliche Gnade gerettet wird. Ein unvergessliches Leseerlebnis, das Sie dazu anregt, Ihre eigenen Werte und Überzeugungen zu hinterfragen.
Autor: Joachim Radke
Die Rolle und Bedeutung der Religion im Faust 1
Im Zentrum der Tragödie ,,Faust 1" des Johann Wolfgang von Goethe steht der Charakter des Doktor Heinrich Faust, welcher unter der Beschränktheit seiner menschlichen Natur leidet (Zeile 354-359).
Er versucht daher, auf verschiedenen Wegen seine Menschlichkeit zu überwinden und allumfassende Erkenntnis bzw. Verständnis zu erlangen.
Da Goethe selbst, unabhängig von eigenen Glaubensvorstellungen, Mitglied des abendländischen, christlich geprägten Kulturkreises ist, orientiert er den Handlungsrahmen und seine Charaktere an der christlichen Mythologie. Die polaren Verkörperungen von Gutem und Bösem, zwischen denen die menschliche Natur angesiedelt ist, sind folglich der eine christliche Gott im Himmel und eine Teufelsgestalt (im Faust Mephistopheles), welche über die Hölle herrscht. Diese Rahmengestaltung bietet sich besonders an, da Goethe bereits im ,,Vorspiel auf dem Theater" bekennt, dass er für sein zeitgenössisches Publikum schreibt, welches traditionell eine Beziehung zu Gott und Teufel hat.
Goethes Kritik an dieser christlich-mythologischen Sichtweise wird jedoch in seiner ironischen Darstellungsweise deutlich: Goethe nimmt weder Gott noch den Teufel so ernst, wie es bei seinem damaligen Publikum der Fall gewesen sein dürfte. Unter Berücksichtigung dieses Aspektes dürfen sowohl Mephisto als auch Faust geringschätzig über Gott sprechen (vgl. Z. 350f). Ebenso ist das Teufelsbild im Faust bisweilen eher erbärmlich als teuflisch (z.B. Z. 1336f). In der Hierarchie steht Mephisto deutlich erkennbar unter Gott (Z. 343), da es Gottes Erlaubnis (Z. 316) bedarf, um sich sein schalkhaftes Verführen Fausts genehmigen zu lassen.
Die Hinwendung zur Wissenschaft und der Magie führen Faust seine menschliche Beschränktheit deutlich vor Augen. Er erkennt, dass er sich weder mit Geistern (Z. 512f.) noch mit Göttern messen (Z. 652) kann. Faust wird als menschlicher Prototyp der Krone der Schöpfung als Demonstrationsobjekt erwählt, an dem sich zeigen soll, ob die Schöpfung grundsätzlich gelungen, wie Gott und die Engel glauben, oder völlig misslungen, wie Mephistopheles behauptet.
Hierzu erteilt Gott Mephisto die Erlaubnis zu versuchen, Faust vom rechten Wege abzubringen (Vgl. Z. 314), da er selbst bezweifelt, dass dies möglich sei. Die Situation ist vergleichbar mit der im Alten Testament beschriebenen Situation Hiobs (Vgl. Hiob 1,6-12).
In jüngeren Jahren hatte Faust mehr Vertrauen zu Gott, mit dem er auf kirchlich-religiösem Wege in Verbindung trat; einem Sachverhalt, dem er im Mannesalter eher kritisch gegenüber steht: Das Ende der Pest suchte Faust ,, vom Herrn des Himmels zu erzwingen" (Z. 1028 f). Hierfür quälte er sich mit ,, Beten und Fasten", war ,, in Hoffnung reich, im Glauben fest" (Z.1025 f.). In den Dogmen des Kirchenglaubens kann sich der spätere Faust nicht aufgehoben fühlen (Z. 3425 ff.). Vom frommen Glauben fällt er daher ab. ,, Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube (Z. 765).
Dennoch vermag die Osterbotschaft Faust vom Suizid abzubringen, da er, trotz fehlenden Glaubens, eine emotionale Bindung, noch aus der Kindheit stammend, an die Religion hat (Vgl. Z. 780f.).
Faust plagen keine Ängste vor dem Tod, ,, vor jener dunklen Höhle..., In der sich Fantasie zu eigner Qual verdammt" (Z. 715). Die gesehene Gefahr des Todes besteht vielmehr darin, ,, ins Nichts dahinzufließen" (Z. 719).
Ergänzend lässt sich hier Fausts Unerschrockenheit vor seiner eventuellen Dienerschaft gegenüber Mephistopheles nach seinem Tod anfügen.
Um die Vielschichtigkeit Fausts Einstellung zu Gott zu erläutern, an den er auf seine eigene Weise dennoch glaubt, muss zudem sein stolzes Bewusstsein der Gottesebenbildlichkeit angeführt werden: ,, Ich Ebenbild der Gottheit !" (Z. 516 und vgl. auch 614). Auch erkennt er im Neuen Testament, welches seiner traditionellen Religion und damit dem Gottesglauben zugrunde liegt, ,, Offenbarung, die nirgends würd`ger und schöner brennt" (Z. 1217 f).
Direkt wird Fausts Glauben im Religionsgespräch mit Gretchen deutlich (Z. 3415 ff): So scheint er eine autoritäre Deutung des Gottesglaubens durch ,, Priester" oder ,, Weise" (Z. 3428) abzulehnen, während er jedoch Gott als ,, Allumfasser" und ,, Allerhalter" (Z. 3438 f) sieht und ihn durch ,, Gefühl" (Z. 3456) zu fassen glaubt. Somit zeigt Faust eine pantheistische Gesinnung, da er einen lebendigen Gott in jedem und allem, was auch in seiner Naturverherrlichung (Z. 1079 f) deutlich wird, favorisiert (Z. 3454).
Eben so setzt Faust die Liebe Gottes mit der Menschenliebe gleich, was konsequenterweise Gott im Menschen voraussetzt (Z. 1184 und 3454).
Insgesamt wird nicht nur die Vielschichtigkeit, sondern auch Widersprüchlichkeit Fausts Äußerungen bezüglich seines Glaubens offenbar. Es finden sich also pantheistische und theistische Elemente.
Goethe transportiert die religiöse Idee allerdings nicht nur durch Faust, sondern gegenläufig dazu auch durch Gretchen, das Volk und wiederum verschieden dazu durch Mephistopheles. Letzterer beschränkt sich, da er selbst Bestandteil der religiösen Gesamtvorstellung ist, auf die Kritik der vermittelnden Institution, der Kirche (Z. 2813 ff) und kann damit weniger als Träger einer religiösen Facette, sondern eher als Perspektiventräger der ,,praktischen Religionsausführung" betrachtet werden.
Gretchen erscheint Faust als ,, sitt- und tugendreich" (Z. 2611), als verwurzelt in christlicher Tradition, kirchlicher Autorität und der davon geprägten bürgerlichen Moral. So praktiziert sie die Beichte, besucht die Messe und ordnet sich ihrer Mutter unter, als diese den durch Faust erhaltenen Schmuck aufgrund dessen unbekannter und damit unrechtmäßiger Herkunft der Kirche übergibt.
Gretchen besitzt die bürgerliche Tugend der Reinlichkeit (vgl. Z. 2686) und des Fleißes, überdies die nach Faust heiligen Werte der Einfalt, der Unschuld, der Demut und der Niedrigkeit (vgl. Z. 3102 ff). Die Unschuld ist es auch, die sie Mephistopheles Macht entzieht (Z. 2626 ff) und sie damit vielleicht sogar zu seiner ebenbürtigen Gegenspielerin macht, möchte man Mephisto als ,, das Böse" (Z. 1336) oder als Verneiner dieser Werte auffassen.
Faust bezeichnet Gretchens Zimmer als ,, Heiligtum" und ,, Himmelreich" (vgl. Z. 2688 und Z. 2708), Gretchen selbst sogar als ,, Engel" (Z. 2712).
Einerseits lässt sich dieses wortwörtlich aufgrund Gretchens Darstellung nachvollziehen und verstärkt damit die Polarität zwischen Mephisto und Gretchen, andererseits schwindet die Bedeutung dieser Attribute durch Fausts extreme Verliebtheit, die Gretchens Überhöhung zur Folge haben muss.
Durch Faust gerät Gretchen in Widerspruch zur bürgerlichen Moral der kirchlich interpretierten christlichen Werte, was in der Szene ,,Am Brunnen" besonders deutlich wird.
Die wohl frühere Übereinstimmung mit Lieschen (vgl. Z. 3579 ff) scheint zerstört, da das ,, Sünderhemdchen" (Z. 3569) für ,,anticipierten Beyschlaf" nun auch Gretchen zuzusprechen ist.
Dabei wird durch die Zeilen 3585 f ,, alles, was dazu mich trieb, Gott! war so gut! ach war so lieb !" der Kontrast der bürgerlichen Moral und kirchlichen Autorität zur eigentlichen christlichen Ethik deutlich. Gretchen wird nach der Moral- und Religionsauffassung des Volkes, repräsentiert von Lieschen und Valentin, geächtet und versucht darauf hin, im ,,Dom" ihre diesbezüglichen Seelenqualen zu besiegen, was ihr, da sie diesen bürgerlichen Moralbegriff selbst zu sehr verinnerlicht hat, (Z. 3421) nicht gelingt.
Sie glaubt auch im ,,Zwinger" an die Gnade Marias und Gottes, die sie durch Buße und Reue zu erlangen gedenkt. Selbst im Kerker vertraut sie trotz augenscheinlicher Verzweiflung und Verwirrung auf die Heiligen, während sie an einer qualvollen Furcht vor der Hölle leidet (Z. 4454 ff).
Hier zeigt sich folglich eine Form christlicher Weltanschauung, welche Faust im Pakt mit dem Teufel ignoriert. Selbst in ihrer Notlage und Verwirrung sorgt sich Gretchen um die Pflege des Grabes ihrer Mutter. Hier zeigt sich ihr Hang zum bürgerlichen Konventionalismus, der sie auch zwingt, die bürgerliche Moral zu akzeptieren.
Da ihr ,, böses Gewissen" (vgl. Z,. 4547) und ihr Selbstbewusstsein bezüglich des Kindsmordes und des Fehlverhaltens gegenüber ihrer Mutter nach bürgerlicher- christlicher Moral klar zu verurteilen sind, machen diese ihr eine Flucht unmöglich. Als gegen Ende offenbar wird, dass die Flucht sie nochmals auf den Irrweg ihres Gegenspielers Mephistopheles führen würde, scheint Gretchen sogar den geliebten Heinrich abzulehnen (Z. 4610) und überwindet so ihr momentanes Glücksstreben zugunsten der christlichen Ethik. Gretchen ,, ist gerettet" (Z. 4612), da ihr göttliche Vergebung zuteil wird.
Fazit: In seinem Werk Faust 1 betrachtet Goethe viele unterschiedliche Aspekte des Phänomens Religion: Er betrachtet sie als wissenschaftlich beziehungsweise pseudowissenschaftlich analysierte Religion in der Theologie, die im gesamten Werk geschmäht wird, sowohl durch Faust (vgl. Z. 356) als auch durch Mephisto (Z. 1983 f.).
Faust gelingt durch das Theologie-Studium die Überwindung seiner menschlichen Begrenztheit nicht. Auch wird Religion in ihrer praktischen Auswirkung im Alltag betrachtet. Hier kritisiert Faust die Moralmaßstäbe und das Handeln der institutionalisierten Religion, Gretchen hingegen bleibt geistig in ihrem kirchlich-bürgerlichen Konventionalismus gefangen (vgl. Z.3415 ff.).
Positiv jedoch schneidet die Religion in ihrer als göttlich-wahr dargestellten ethischen Funktion, die hier durch Gott höchst selbst vertreten wird, ab:
Gretchen, am weltlichen Religionsmaßstab gemessen schuldig gesprochen, erfährt Gnade und Rettung durch Gott (vgl. Z.4612).
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Hauptthema des Textes "Die Rolle und Bedeutung der Religion im Faust 1"?
Der Text untersucht die Rolle und Bedeutung der Religion in Johann Wolfgang von Goethes Tragödie "Faust 1", insbesondere im Hinblick auf die Figur des Doktor Heinrich Faust, der nach allumfassender Erkenntnis strebt.
Welche religiösen Einflüsse prägen den Handlungsrahmen von "Faust 1"?
Der Handlungsrahmen orientiert sich an der christlichen Mythologie, mit den polaren Verkörperungen von Gut und Böse in Form von Gott und Mephistopheles.
Wie wird Goethes Kritik an der christlich-mythologischen Sichtweise deutlich?
Goethes Kritik wird durch seine ironische Darstellungsweise deutlich, in der er weder Gott noch den Teufel so ernst nimmt, wie es sein Publikum vermutlich tat.
Welche Rolle spielt Mephistopheles im religiösen Kontext von "Faust 1"?
Mephistopheles steht in der Hierarchie unter Gott und benötigt dessen Erlaubnis, um Faust zu verführen. Er repräsentiert eine Kritik an der vermittelnden Institution der Kirche.
Wie verändert sich Fausts Beziehung zur Religion im Laufe der Tragödie?
In jüngeren Jahren hatte Faust mehr Vertrauen zu Gott, distanziert sich jedoch im Mannesalter von den Dogmen des Kirchenglaubens. Dennoch bewahrt er eine emotionale Bindung zur Religion, insbesondere durch die Osterbotschaft.
Welche pantheistischen Züge zeigt Fausts Glauben?
Faust sieht Gott als "Allumfasser" und "Allerhalter" und glaubt, ihn durch "Gefühl" zu erfassen. Er setzt die Liebe Gottes mit der Menschenliebe gleich und favorisiert einen lebendigen Gott in allem, was auch in seiner Naturverherrlichung deutlich wird.
Wie wird die religiöse Idee durch Gretchen dargestellt?
Gretchen verkörpert die traditionellen christlichen Werte, die bürgerliche Moral und die kirchliche Autorität. Sie praktiziert die Beichte, besucht die Messe und ordnet sich ihrer Mutter unter.
Inwiefern gerät Gretchen in Konflikt mit der bürgerlichen Moral und den kirchlich interpretierten christlichen Werten?
Durch Faust gerät Gretchen in Widerspruch zur bürgerlichen Moral, was besonders in der Szene "Am Brunnen" deutlich wird. Sie wird für ihren "anticipierten Beyschlaf" geächtet.
Welche Bedeutung hat Gretchens Rettung am Ende der Tragödie?
Gretchen wird gerettet, da ihr göttliche Vergebung zuteil wird. Sie überwindet ihr momentanes Glücksstreben zugunsten der christlichen Ethik.
Welches Fazit zieht der Text bezüglich der Religion im Faust 1?
Der Text stellt fest, dass Goethe viele unterschiedliche Aspekte des Phänomens Religion betrachtet: die wissenschaftlich analysierte Religion in der Theologie, die praktischen Auswirkungen im Alltag und die ethische Funktion, die durch Gott selbst vertreten wird. Gretchen erfährt Gnade und Rettung durch Gott.
Welche Bedeutung hat das "Gefühl" für Fausts religiöses Verständnis?
Für Faust ist das "Gefühl" alles. Er hat keinen Namen dafür, aber es ist das, was seinen Glauben und seine Beziehung zu Gott ausmacht.
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- Joachim Radke (Author), 2000, Goethe, Johann Wolfgang von - Faust 1 - Die Bedeutung und Rolle der Religion im Faust 1, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/100144