Der Schüler Gerber
Friedrich Torberg
Torberg spiegelt mit seinem Werk zu einem großen Teil seine eigene Jugend wieder, da er selbst zwei Mal zur Matura antreten musste. Nachdem er sie das erste Mal nicht bestanden hatte und in den Zeitungen immer wieder von Schülern las, welche die Matura nicht bestanden und dann Selbstmord begangen hätten, fand er sich in der Idee bestätigt und begann mit dem Manuskript zu ,,Der Schüler Gerber". Sein Freund Max Brod studierte das Manuskript und war begeistert. Daraufhin übermittelte er die Schrift ohne Torbergs Wissen einem Verlag. Die erste Auflage des Romans trug den Namen Der Schüler Gerber hat absolviert. 1954 erschien dann eine Neufassung mit dem Namen: ,,Der Schüler Gerber". Der Roman spielt am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in Wien. Der erste Weltkrieg ist vorüber. Die Menschen leben in Not und benötigen ihr ganzes Geld für den Wiederaufbau. Es ist schwer für sie eine Arbeit zu finden, und wenn sie eine finden, nimmt sie meist sehr viel Zeit in Anspruch. Unter diesen Umständen leiden vor allem die Kinder, weil ihnen die Zuneigung ihrer Eltern fehlt. Auch der Schulbesuch ist für viele nicht selbstverständlich, da die Eltern sich einen solchen Luxus teilweise nicht leisten können. Die Verhältnisse in den Familien sind zum Teil fürchterlich. Nach außen hin wird die perfekte Harmonie vorgespielt, doch eigentlich schaut es ganz anders aus. Es gibt oft einen tyrannischen Vater, der den Rest der Familie unterdrückt. Die Kinder haben keinerlei Möglichkeiten ihre Meinung zu sagen. Die Mütter stehen meist auf der Seite ihres Mannes, weil sie sonst Schläge zu befürchten haben.
Friedrich Torberg schreibt die Geschichte des begabten Schülers Kurt Gerber, der stets ein guter Schüler war und mit nur leichten Problemen in Mathematik und Geometrie in die achte Klasse aufsteigen konnte. In seinem letzten Schuljahr bekommt er einen neuen Klassenvorstand, Professor Kupfer auch Gott Kupfer genannt. Kurt hatte ihn schon in den Sommerferien vor der achten Klasse kennen gelernt und mit ihm einen Streit gehabt. Aus diesem Grund ist Kupfer im vornherein schlecht auf Kurt zu sprechen, ohne ihn jemals unterrichtet zu haben.
Kurts schwer herzkranker Vater möchte ihn aus der Schule nehmen, doch Kurt weigert sich.
Er ist überzeugt, dass er sich von Kupfer nicht unterkriegen lassen und die Matura bestehen wird. Aber schon in der ersten Stunde kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden und Kurt geht daraus als Verlierer hervor. Zu dem Problem, dass Kurt bei Kupfer keinen guten Namen hat, kommt noch seine Schwäche in Mathematik und Geometrie, die beide von Kupfer unterrichtet werden. Gleich in der zweiten Stunde wird Kurt bei der Stundenwiederholung auf ,,Nicht Genügend" geprüft.
Kurts zweites Problem ist, dass seine Freundin Lisa Berwald die Schule verlassen hat und er nicht weiß, wo er sie wiederfinden wird. Kurt wird den Verlust von Lisa so beeinflusst, dass sogar Lehrer, die bisher mit ihm sehr zufrieden waren und viel von ihm hielten, enttäuscht sind. Auch Kurts Vater merkt den Leistungsabfall und beginnt sich Sorgen zu machen, was vor allem seinen Herzproblemen schadet.
Inzwischen hat Kurt Lisa wieder getroffen und erfahren, dass sie einen Beruf ergriffen hat. Er muss aber auch erfahren, dass sie sich immer weniger für ihn interessiert. Kurz nach dieser Enttäuschung gibt es schon die nächste, denn im Halbjahreszeugnis hat Kurt ein ,,Nicht Genügend" in Mathematik und Geometrie. Kurt muss sein Zeugnis unterschreiben lassen. Er möchte seinem herzkranken Vater keine zusätzlichen Sorgen bereiten und fälscht daher die Unterschrift.
Während eines Schiurlaubs bekommt Kurt einen Brief seines Vaters, der um baldige Rückkehr bittet. Sein Vater hatte nämlich in der Schule angerufen und dabei von den negativen Noten erfahren. Kurt beginnt nach einem Gespräch mit seinem Vater mit zwei Vorzugsschülers aus seiner Klasse zu lernen, doch das geht nicht lange gut, weil Kurt nicht bereit ist zu lernen, sondern viel lieber Partys und Feste besucht.
Kurts Vater wird gesundheitlich immer schlechter. Er muss daher kurz vor der Matura zur Kur fahren. Kurt fängt wieder an zu lernen, weil er seinem Vater jeglichen Ärger ersparen will.
Kurt besteht die schriftliche Matura. Als er dann bei der mündlichen Matura bei Kupfer an die Reihe kommt, spielt sich eine sehr interessante Szene ab. Kupfer hilft Kurt, doch nicht um ihn zu unterstützen, sondern um nachher behaupten zu können, dass er nichts gewusst hätte. Für Kurt ist das ein schwerer Schlag, denn auch bei den anderen Prüfungen - außer in Deutsch - war er nicht sonderlich gut gewesen. Als er aufgerufen wird, um seine Ergebnis zu erfahren, geht er in das Zimmer der Prüfungskommission und stürzt sich aus dem Fenster auf die Straße. Er ist sofort tot. Kurt war von der Prüfungskommission für reif erklärt worden.
Kurt Gerber: Er ist ein sehr begabter, aber mental schwacher Schüler, der niemanden hat, an den er sich in schwierigen Zeiten wenden kann. Mit den alltäglichen Problemen kann er sich zwar an seine Eltern wenden, die für ihn immer ein offenes Ohr haben und stets versuchen seine Probleme zu lösen soweit es ihnen möglich ist. Doch er hat niemanden mit dem er intimer Themen besprechen kann. Lisa will er diese nicht anvertrauen und einen Freund, dem er alles erzählen kann hat er nicht. Er muss alle größeren Schwierigkeiten für sich selber lösen und das ist sehr schwer.
Kurt macht in diesem Buch viele persönliche Wandlungen, die einer langsamen Vernichtung gleichen durch. Kurz nach den Ferien ist er frisch erholt, fröhlich und motiviert. Er möchte die achte Klasse möglichst gut abschließen und ist auch bereit zu lernen. Als er ein ,,Nicht Genügend" nach dem anderen bei Kupfer erhält, verliert er die Motivation und beginnt sich nicht mehr für die Schule zu interessieren. Dazu kommt noch der Verlust von Lisa Berwald. Es ergibt sich ein ewiger Kreislauf aus dem Kurt nicht mehr herauskann und er schlussendlich nur mehr den Selbstmord als Lösung sieht.
Arthur ,,Gott" Kupfer: Professor Kupfer wird häufig wegen seiner von ihm oft erwähnten Unfehlbarkeit und seiner Herrschsucht mit Spitznamen ,,Gott" genannt. Doch interessanter Weise trägt er diesen Namen gerne, weil er ihm Autorität verschafft, die Kupfer im normalen Leben nicht besitzt. Kupfer spielt nach außen hin den starken Mann, doch eigentlich hat er versagt und ist genau das Gegenteil, denn im normalen Leben ist er ein Niemand. Zu seinem ,,Vorteil" sieht er sich in der Schule aber einer Gruppe gegenüber, die ihm ausgeliefert ist und die gegen ihn nicht ankämpfen kann. Und genau diese Tatsache nützt er aus, um seine Komplexe auszuleben. Er möchte allen demonstrieren, dass er seine Schüler in der Hand hat und über ihr Leben mitentscheiden kann. Kupfer ist ein herrschsüchtiger, sadistischer Mensch, der sofort mit Vorurteilen behaftet ist und niemandem eine zweite Chance gibt. Er erwartet sich von jedem, dass er perfekt ist und verzeiht keine Fehler. Er sieht die Schüler nicht als Menschen, sondern als Lernmaschinen und zeigt sich ihnen gegenüber daher niemals persönlich. Wenn er sich nämlich persönlich zeigt, wird die Kluft zwischen den Schülern und ihm kleiner und er steht nicht mehr hoch über ihnen. Kupfer setzt alles ein, um seine Autorität zu verteidigen, auch wenn er dann unfair handelt.
Lisa Berwald: Sie ist ein sehr reifes und hübsches Mädchen, das vor der achten Klasse die Schule verließ, um einen Beruf zu ergreifen. Sie sah keine Zukunft mit ihrer Schulbildung und wollte ihr Leben in die Hand nehmen. Es nervte sie Lehrern ausgesetzt zu sein. Sie ist ein sehr leidenschaftlicher Mensch, der sich von niemandem etwas sagen lassen möchte. Sie feiert gerne Feste und macht das was ihr Spaß macht. Sie hat es auch geschafft ihr Leben in den Griff zu bekommen und einen gesicherten Job zu haben. Sie gehört nicht zu den Jugendlichen, die nach der Schule alles hinwerfen und nur mehr Feste feiern und nicht an ihre Zukunft denken, sondern sie macht beides.
Kurt sieht in ihr seine große Liebe. Sie hingegen findet ihn zwar sehr nett, will jedoch nicht mehr. Aus diesem Grund lässt sie ihn nicht zu dicht an sich herankommen.
Vater Gerber: Er ist schwer krank und um seinen Sohn besorgt. Er hat ein schweres Herzleiden und kann keine Aufregung vertragen. Er hat Schuldgefühle, weil er sich um seinen Sohn nicht kümmern und ihm kein normaler Vater sein kann. Er versucht seine Schuldgefühle mit übertriebener Sorge um seinen Sohn zu bekämpfen. Er sieht nur Kurts Matura und sonst nichts mehr. Er erwartet aber von seinem Sohn, dass er ihm jegliche Aufregung erspart. Durch diese Forderungen setzt er seinen Sohn unter Druck, und wird damit auch ein Mitschuldiger für den Tod. Er ist sich nicht bewusst, dass er sein Sohn durch das Herzleiden des Vaters mitbelastet ist.
Der Schüler Gerber ist ein traditioneller Roman, der das Thema Schule zum Hauptinhalt hat. Torbergs Roman unterteilt sich in zwölf Kapitel, die alle in Wien spielen, Ausnahme ist nur die Schiwoche nach dem Semesterzeugnis. Die Kapitel bilden immer einen abgeschlossenen Teil der Handlung, denn am Anfang eines jeden Kapitels wird ein neues Thema behandelt. Das ganze Buch stellt sich als Kampf zwischen Kurt Gerber und Arthur Kupfer heraus. Um diesen Eindruck noch zu verstärken, klingen die Überschriften der einzelnen Kapitel oft wie Kampfansagen (z.B.: Sturm auf zwei Fronten, Einzug der Gladiatoren. Gong.)
Torberg schreibt keinen Ich-Bericht, sieht das ganze Geschehen aber aus der Sicht von Kurt Gerber. Er lässt immer wieder innere Monologe einfließen, die einem einen besseren Einblick in die Psyche von Kurt geben und sehr oft zum besseren Verständnis der Handlung beitragen. Torberg schreibt in einer leicht verständlichen Sprache, vermeidet Fremdwörter und Spezialausdrücke und beschränkt sich kurze Sätze. Torberg zeigt, wie ein psychisch stabiler Mensch innerhalb eines Jahres vollkommen zerbricht.
Damit es zu einem Selbstmord kommt spielt aber selten nur ein Faktor mit, meistens sind es mehrere Gründe zusammen, die dann das ,,Fass zum Überlaufen bringen" und so den Auslöser zu einem Selbstmord bieten. Die Menschen sind verzweifelt und wissen nicht mehr weiter. Oft ist es auch die Angst vor Versagen oder Schande, die Menschen zu solchen Taten treibt. Leider wird heutzutage der Selbstmord von immer mehr Leuten als Ausweg aus Schwierigkeiten gewählt. Viele Menschen sind nicht bereit ihre Probleme zu bekämpfen, sondern erwarten, dass sie sich von selber lösen. Doch das passiert nicht und daher wählen sie den Selbstmord als endgültige Lösung für ihre Misere.
Torbergs Werk war von Anfang an ein großer Erfolg. Viele Menschen sahen sich wahrscheinlich selbst in Kurt Gerber und erinnerten sich an ihre Probleme mit Lehrern in ihrer Jugend.
Torberg behandelt in seinem Werk 4 Themen:
1. Das Zugrundegehen eines begabten Schülers
2. Konflikt zwischen Lehrer und Schüler
3. Vergebliche Liebe zu einem Mädchen
4. Belastung eines Schülers durch seinen herzkranken Vater und Schülerselbstmord
Friedrich Torberg, eigentlich Friedrich Kantor - Berg, wurde am 16. September 1908 in Wien geboren. Er studierte in Prag und Wien Germanistik und Philosophie. Er bevorzugte in seinen Romanen und Erzählungen zeitgeschichtliche Themen, in denen er den Konflikt zwischen Macht, Diktatur und persönlicher Verantwortlichkeit und Gewissen darstellte. Vor seinem Tod erhielt er den Großen Österreichischen Staatspreis. Friedrich Torberg starb am 10. November 1979 in Wien.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in "Der Schüler Gerber" von Friedrich Torberg?
Der Roman "Der Schüler Gerber" von Friedrich Torberg spielt in Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts und erzählt die Geschichte von Kurt Gerber, einem begabten Schüler, der in seinem letzten Schuljahr mit dem neuen Klassenvorstand Professor Kupfer, auch "Gott Kupfer" genannt, aneinandergerät. Gerber hat zudem mit persönlichen Problemen wie der Trennung von seiner Freundin Lisa und der Herzkrankheit seines Vaters zu kämpfen. Der Roman thematisiert den Konflikt zwischen Lehrer und Schüler, den Druck, dem Schüler ausgesetzt sind, und die Folgen von Versagen.
Wer ist Kurt Gerber?
Kurt Gerber ist der Protagonist des Romans. Er ist ein begabter, aber mental schwacher Schüler, der im Laufe der Geschichte aufgrund der negativen Erfahrungen in der Schule und den persönlichen Belastungen immer mehr zerbricht. Er hat keinen Vertrauten, dem er seine innersten Ängste und Sorgen anvertrauen kann.
Wer ist Professor Kupfer?
Professor Kupfer, auch "Gott Kupfer" genannt, ist Kurts Klassenvorstand und Mathematiklehrer. Er wird als herrschsüchtig, sadistisch und voreingenommen beschrieben. Kupfer missbraucht seine Machtposition, um seine eigenen Komplexe auszuleben und die Schüler zu demütigen. Er gibt Kurt Gerber von Anfang an keine Chance und trägt maßgeblich zu dessen psychischem Verfall bei.
Wer ist Lisa Berwald?
Lisa Berwald ist Kurts Freundin, die vor der achten Klasse die Schule verlässt, um einen Beruf zu ergreifen. Sie ist ein selbstbewusstes und leidenschaftliches Mädchen, das ihr Leben selbst in die Hand nehmen möchte. Kurt sieht in ihr seine große Liebe, aber Lisa hat kein großes Interesse mehr an ihm.
Welche Rolle spielt Kurts Vater?
Kurts Vater ist schwer herzkrank und besorgt um seinen Sohn. Er übt unbewusst Druck auf Kurt aus, indem er erwartet, dass er ihm jegliche Aufregung erspart. Seine Krankheit und seine Sorge um Kurts Matura tragen dazu bei, dass sich Kurt zusätzlich belastet fühlt.
Was sind die Hauptthemen des Romans?
Die Hauptthemen des Romans sind:
- Das Zugrundegehen eines begabten Schülers
- Der Konflikt zwischen Lehrer und Schüler
- Die vergebliche Liebe zu einem Mädchen
- Die Belastung eines Schülers durch seinen herzkranken Vater und Schülerselbstmord
Wie endet die Geschichte?
Kurt besteht die schriftliche Matura, scheitert aber an der mündlichen Prüfung bei Professor Kupfer. Er begeht nach der Prüfung Selbstmord, indem er sich aus dem Fenster stürzt.
Wie ist der Roman aufgebaut?
Der Roman ist in zwölf Kapitel unterteilt, die meist in Wien spielen (mit Ausnahme der Schiwoche). Jedes Kapitel behandelt ein neues Thema und die Kapitelüberschriften sind oft wie Kampfansagen formuliert.
In welcher Perspektive ist der Roman geschrieben?
Der Roman ist nicht in der Ich-Perspektive geschrieben, aber der Leser erlebt die Geschichte aus der Sicht von Kurt Gerber. Es werden immer wieder innere Monologe eingeflochten, um Einblick in Kurts Psyche zu geben.
Was kritisiert Torberg mit seinem Roman?
Torberg kritisiert mit seinem Roman das Schulsystem, die autoritäre Haltung mancher Lehrer und den Druck, dem Schüler ausgesetzt sind. Er zeigt, wie ein psychisch stabiler Mensch innerhalb eines Jahres zerbrechen kann.
- Quote paper
- Martina Mayerhofer (Author), 2001, Torberg, Friedrich - Der Schüler Gerber, Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/100127