Was, wenn die Moral, die wir zu kennen glauben, nur ein trügerisches Abbild reiner Vernunft ist? Diese tiefgründige Untersuchung entführt den Leser in die komplexen Gefilde der Kant'schen Philosophie, wo die Suche nach dem wahren Ursprung sittlichen Handelns im Mittelpunkt steht. Beginnend mit der unschuldigen "glücklichen Einfalt" des gemeinen Menschenverstandes, der zwar ein Gespür für das Rechte besitzt, aber dessen Handlungen oft von Neigungen und unbewussten Triebfedern getrübt werden, entfaltet sich eine fesselnde Reise durch verschiedene Erkenntnisebenen. Die populäre Philosophie, die versucht, durch Beispiele und Veranschaulichungen eine allgemeinverständliche Morallehre zu etablieren, wird als "ekelhafter Mischmasch" entlarvt, der die Reinheit des moralischen Gesetzes gefährdet. Erst die metaphysische Vernunfterkenntnis, die sich von aller Empirie befreit und die Prinzipien eines reinen Willens erforscht, verspricht, den Schleier der Täuschung zu lüften. Doch wie gelingt der Übergang von einer durch Neigungen verzerrten zu einer reinen, vernunftbasierten Moral? Welche Rolle spielen dabei Pflicht, Achtung und die Überwindung des "lieben Selbst"? Dieses Buch ist eine Einladung an alle, die sich nach einer tieferen Auseinandersetzung mit den Grundlagen unserer ethischen Überzeugungen sehnen, und bietet einen klaren und zugänglichen Wegweiser durch Kants kritische Philosophie. Es analysiert die Dialektik zwischen Glückseligkeit und Pflicht, die Gefahren einer Vermischung von Empirie und reiner Vernunft und die Notwendigkeit einer "reinen praktischen Weltweisheit". Leser erwartet eine spannende Dekonstruktion gängiger Moralvorstellungen und eine leidenschaftliche Plädoyer für die unbedingte Gültigkeit des Sittengesetzes, fernab aller subjektiven Wünsche und Neigungen. Ein Muss für Philosophen, Studierende und alle, die sich für die ethischen Fundamente menschlichen Handelns interessieren und nach einer Orientierung in einer zunehmend komplexen Welt suchen. Schlüsselwörter: Kant, Ethik, Moralphilosophie, Vernunft, Pflicht, Glückseligkeit, Metaphysik, Erkenntnistheorie, praktische Philosophie, Sittengesetz, Kategorischer Imperativ, Aufklärung, Morallehre, Tugendlehre, Autonomie, freier Wille, philosophische Anthropologie, transzendentale Philosophie.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die ersten drei Ebenen der Vernunfterkenntnis und die jeweiligen Übergänge
3. Darstellung der (empirischen) Morallehren der Philosophen
4. Konsequenzen, die Kant zieht - Pflicht als reines Vernunftgebot
5. Sonstige Komplexe, offene Fragen und Kritik
1. Einleitung
Wir haben folgende Themengebiete unterschieden:
2. Die ersten drei Ebenen der Vernunfterkenntnis und die jeweiligen Übergänge
1. Ebene: gemeine Vernunfterkenntnis:
- die Vorstellung des Gesetzes ist im vernünftigen Wesen vorhanden
- hat das Prinzip jederzeit vor Augen; es wird zwar nicht abstrakt gedacht, dient aber als Richtmaß für Handlungen
- die Vernunft zwingt unmittelbare Achtung ab, jedoch ohne Einsicht des Grundes dafür (d.h. nicht abstrakt, sondern subtil)
- die gemeine VE muß lediglich auf ihr eigenes Prinzip aufmerksam gemacht werden, braucht keine Lehren
- die Achtung fürs praktische Gesetz überwiegt zwar die Neigungen, jedoch fußen die Maximen und Handlungen - aufgrund der geheimen Triebfedern und "das liebe Selbst, was immer hervorsticht" - ebenso auf Bedürfnissen und Neigungen
- "glückliche Einfalt", "Weisheit ohne Wissen" - ihre Unschuld droht von dem "lieben Selbst" verführt zu werden, dem mächtigen Gegenspieler der Vernunft,
- die subjektiven Maximen basieren einerseits auf Pflicht, aber auch auf dem "mächtigen Gegengewicht gegen alle Gebote der Pflicht", der Glückseligkeit (Summe der Bedürfnisse und Neigungen)
- sie leidet unter der "natürlichen Dialektik", dem "Hang, wider jene strengen Gesetze der Pflicht zu vernünfteln", diese "womöglich unseren Wünschen und Neigungen angemessener zu machen", d.h. sie verderben
- sie sucht also gegen die Zweideutigkeit Hilfe: "wegen der Quelle ihres Prinzips und richtigen Bestimmung desselben" sucht sie "Erkundigung und deutliche Anweisung" und Veranschaulichung bei den philosophischen Morallehren
2. Ebene: philosophische/populäre Vernunfterkenntnis:
- sie soll nichts Neues lehren, sondern Eingang und Dauerhaftigkeit für die sittliche Vorschrift bewirken; der gemeinen VE das sittliche Gesetz in einer Morallehre systematisieren, veranschaulichen und abstrahieren
- sie basiert auf anschaulichen Beispielen, mit denen sie sich populär machen möchte, ist somit auch empirisch
- verwirrt leicht durch viele Erwägungen, die nicht zur Sache gehören; treibt allseits "Bewegursachen zum Sittlichguten auf, um die Arznei recht kräftig zu machen", verdirbt dieses dadurch
- es besteht eine "vermischte Sittenlehre"; die Lehrer haben "ihre Begriffe nicht ins reine gebracht"
- sie geht anthropologisch vor; zwar versucht sie die Neigungen als Triebfedern für moralische Handlungen auszuschließen, geht andererseits aber vom Menschen aus, für den die Morallehre gelten soll. Kant bezeichnet die populäre sittliche Weltweisheit schließlich abwertend von der vermischten Sittenlehre als "ekelhaften Mischmasch von zusammengestoppelten Beobachtungen und halbvernünftelten Prinzipien" - sie ist gemeinverständlich, ohne jedoch die notwendige gründliche Einsicht zu vermitteln; sie charakterisiert das "Tappen vermittels der Beispiele"
- Problem der Beispiele: "Nachahmung findet im Sittlichen gar nicht statt"; "Beispiele dienen nur zur Aufmunterung", sind Veranschaulichung der praktischen Regel, ersetzen jedoch nicht ihr wahres Original; den Beispielen muß erst ihre Würdigkeit nachgewiesen werden, ehe sie Gültigkeit für Sittlichkeit haben
3. Ebene: metaphysische Vernunfterkenntnis:
- Kant befürwortet die Popularität für die praktische Umsetzung des Gesetzes, allerdings verurteilt er die vorzeitige Popularisierung. Popularität soll es erst nach der Erhebung zu den Prinzipien der reinen Vernunft geben: "die Lehre der Sitten zuvor auf Metaphysik gründen , ihr aber, wenn sie feststeht, nachher durch Popularität Eingang verschaffen"
- die Metaphysik der Sitten ist a priori, d.h. von aller Empirie sorgfältig gesäubert und unvermischt, die "reine praktische Weltweisheit"
- sie soll die Idee und die Prinzipien eines möglichen reinen Willens untersuchen
- reine Moralphilosophie - ohne alle empirische Anthropologie und Beispielsabhängigkeit - "leuchtet von selbst aus der gemeinen Idee der Pflicht und der sittlichen Gesetze ein"
- im Bewußtsein der Würde des sittlichen Gesetzes sollen empirische Triebfedern verachtet und bemeistert werden
2. Die ersten drei Ebenen der Vernunfterkenntnis und die jeweiligen Übergänge
Um bessere Rahmenbedingungen für unsere Darstellung zu schaffen, haben wir beschlossen, unserer eigentlichen Aufgabe - nämlich darzustellen, warum die Pflicht als Vernunftgebot zu verstehen sei - die bisherigen Ebenen der Vernunfterkenntnis in knappen Sätzen anschaulich darzustellen. Kants Absicht seines Werkes ist es, zur sittlichen Weltweisheit zu gelangen. Wir sind der Meinung, daß sich unsere Textpassage mit dem zweiten Übergang (von der populären oder philosophischen Vernunfterkenntnis zur Metaphysik der Sitten) am besten dazu eignet.
Die erste Ebene ist die gemeine sittliche Vernunfterkenntnis. Wir haben sie bereits im Seminar behandelt.
Die zweite Ebene ist die philosophische oder populäre Vernunfterkenntnis. Die dritte Ebene ist die Metaphysik der Sitten.
Auf allen drei Ebenen haben wir es mit Menschen zu tun, die von der Vernunft moralische Begriffe eingegeben bekommen und somit die Vorstellung einer Pflicht vor dem Sittengesetz haben. Die Vernunft zwingt unmittelbare Achtung ab für eine allgemeine Gesetzgebung. Die erste Ebene wird dadurch charakterisiert, daß der Grund für die Notwendigkeit der Achtung für das praktische Gesetz nicht eingesehen wird. Die Vernunft wirkt unmittelbar, hat jedoch als Gegenspieler "das liebe Selbst" des Menschen, die Naturwelt des Menschen, die Neigungen, die die Maximen unbewußt verderben können. Der gute Wille, das moralische Gesetz zu befolgen, ist vorhanden, jedoch fehlt die Reinheit des Erkennens, da die Neigungen unbewußt mitwirken. Das Prinzip der sittlichen Pflicht ist vorhanden, allerdings ist es nicht sehr abstrakt, der Grund wird nicht eingesehen. Dennoch hat die gemeine sittliche Vernunfterkenntnis das Prinzip vor Augen und als (per guten Willen gewähltes) Richtmaß.
Die Glückseligkeit, das "mächtige Gegengewicht gegen alle Gebote der Pflicht" führt schließlich zu einer "natürlichen Dialektik". Da das abstrakte Wissen um den Grund für das Sittengesetz fehlt, wird die Moral angepaßt, es wird "vernünftelt", Sittengesetz und Glückseligkeit werden unbewußt miteinander verbunden.
Der Mensch erkennt die Unreinheit seiner praktischen Philosophie. Während die Quelle des Prinzips rein ist, fußen die subjektiven Maximen auf Bedürfnis und Neigung. Um die sittlichen Grundsätze vor der Verderbnis zu schützen, drängt es den Menschen zur philosophischen Vernunfterkenntnis.
Die philosophische bzw. die populäre Vernunfterkenntnis versucht, den Menschen über die anderen Triebfedern bei Handlungen neben der Achtung vor dem Sittengesetz aufzuklären. Sie versucht, die Schwäche des gemeinen Vernunftverstandes auszugleichen und ein abstraktes System, d.h. eine Morallehre, vorzustellen. Ziel des Menschen und der Philosophie ist es, das reine Sittengesetz zu erkennen, ohne alles Empirische, welche das Gesetz durch Neigungen verderben würden.
Die Morallehre wird popularisiert. Anhand von anschaulichen Beispielen soll sie dem gemeinen Verstande zur Erkundigung dienen und deutliche Anweisungen liefern. Sie soll dem gemeinen Verstande helfen, seine moralischen Maxime abstrakter zu orientieren, damit sie nicht durch Neigungen des "lieben Selbst" verfälscht werden.
Dies war eine Wiederholung aus dem ersten Abschnitt. Sie macht deutlich, wieso Kant die philosophische Ebene der Vernunfterkenntnis einführte, wo er doch als Aufklärer versucht, den Menschen sich selber sein Gesetz machen zu lassen. Der Mensch sei schwach und bedarf der Philosophie, sagt Kant. Dennoch lobt er die gemeine Vernunfterkenntnis, während er die philosophische zwar als praktisch notwendig, jedoch aber als unrein empfindet. Kants Ziel bei alledem ist, zu dem reinen sittlichen Gesetz zu gelangen.
Häufig gestellte Fragen
Was sind die drei Ebenen der Vernunfterkenntnis, die im Text behandelt werden?
Der Text behandelt drei Ebenen der Vernunfterkenntnis: die gemeine Vernunfterkenntnis, die philosophische/populäre Vernunfterkenntnis und die metaphysische Vernunfterkenntnis.
Was ist das Hauptmerkmal der gemeinen Vernunfterkenntnis?
Die gemeine Vernunfterkenntnis zeichnet sich dadurch aus, dass die Vorstellung des Gesetzes im vernünftigen Wesen vorhanden ist und als Richtmaß für Handlungen dient, jedoch ohne Einsicht des Grundes dafür.
Welche Kritik übt Kant an der philosophischen/populären Vernunfterkenntnis?
Kant kritisiert, dass die philosophische/populäre Vernunfterkenntnis durch anschauliche Beispiele und empirische Elemente leicht verwirrt und eine "vermischte Sittenlehre" entsteht, die die Begriffe nicht ins Reine bringt. Er bezeichnet sie abwertend als "ekelhaften Mischmasch von zusammengestoppelten Beobachtungen und halbvernünftelten Prinzipien".
Was versteht Kant unter metaphysischer Vernunfterkenntnis und warum hält er sie für wichtig?
Die metaphysische Vernunfterkenntnis ist für Kant die a priori und von aller Empirie gesäuberte "reine praktische Weltweisheit". Sie soll die Idee und die Prinzipien eines möglichen reinen Willens untersuchen und die Grundlage für die Morallehre bilden, bevor sie popularisiert wird.
Warum kritisiert Kant die vorzeitige Popularisierung der Morallehre?
Kant kritisiert die vorzeitige Popularisierung, weil er der Meinung ist, dass die Lehre der Sitten zuerst auf Metaphysik gegründet werden muss, bevor sie durch Popularität Eingang finden kann. Andernfalls besteht die Gefahr, dass empirische Elemente und Neigungen das Sittengesetz verderben.
Was ist das Ziel von Kants Werk laut dem einleitenden Text?
Laut dem einleitenden Text ist Kants Ziel, zur sittlichen Weltweisheit zu gelangen.
Was ist die "natürliche Dialektik" im Kontext der gemeinen Vernunfterkenntnis?
Die "natürliche Dialektik" beschreibt den Hang, wider die strengen Gesetze der Pflicht zu vernünfteln und diese den eigenen Wünschen und Neigungen anzupassen, was zu einer Verderbnis der Sittlichkeit führt.
Wie bewertet Kant die Rolle von Beispielen in der Morallehre?
Kant ist der Meinung, dass Nachahmung im Sittlichen nicht stattfindet. Beispiele dienen lediglich zur Aufmunterung und Veranschaulichung der praktischen Regel, ersetzen jedoch nicht ihr wahres Original. Ihre Würdigkeit muss erst nachgewiesen werden, ehe sie Gültigkeit für Sittlichkeit haben.
Warum wird die philosophische Ebene der Vernunfterkenntnis als "unrein" empfunden?
Die philosophische Ebene der Vernunfterkenntnis wird als "unrein" empfunden, weil sie auf Beispielen aufbaut und somit empirische Elemente enthält, die das reine Sittengesetz verfälschen können.
Welche Rolle spielt die Glückseligkeit im Verhältnis zur Pflicht?
Die Glückseligkeit wird als das "mächtige Gegengewicht gegen alle Gebote der Pflicht" beschrieben, was zu einer "natürlichen Dialektik" führt, da Menschen dazu neigen, Pflicht und Glückseligkeit unbewusst miteinander zu verbinden.
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- Emil Franzinelli (Author), 2001, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten - Die ersten drei Ebenen der Vernunfterkenntnis und die jeweiligen Übergänge ("Pflicht als Vernunftgebot", 2. Abschnitt, 1. Teil), Munich, GRIN Verlag, https://www.hausarbeiten.de/document/100012